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ließ, bat er ihn: »Wenn es nun mit mir zu
Ende geht, dann bete für meine arme Seele.
Willst du das tun?«
Der Junge nickte beklommen. Er sah dem
alten Spielmann nach, der langsam dav-
onging, bis er in einem nahen Wäldchen
unter Birken seinen Blicken entschwunden
war. Dann betrachtete er neugierig die Dre-
horgel, versuchte sich an der Kurbel und
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lauschte dem einfachen Lied. Endlich legte
er die Drehorgel beiseite und rief seine
Gänse vom Weiher, um sie weiter im Tanzen
zu unterweisen.
In der Nacht, als der Sohn des Spielmanns
im Stroh lag, hörte er auf einmal die Pfeifen
und Flöten der Drehorgel aufseufzen, wie
wohl einer seufzt, der etwas Liebes verloren
hat. Da warf sich der Junge auf die Knie und
betete für seinen Vater, den er bis zu diesem
Tag nicht gekannt hatte, denn er war sich
gewiss, dass die Pfeifen und Flöten den Tod
des alten Spielmanns beklagten.
Am nächsten Tag aber nahm er Abschied
von dem Bauern, bei dem er aufgewachsen
war. »Ich will wie mein Vater als Spielmann
in die Welt ziehen und mein Glück suchen«,
sagte er. Und der Bauer, der froh war, einen
Esser weniger an seinem Tisch zu haben, ließ
ihn gern ziehen. Nur die Gänse erhoben ein
mächtiges Gezeter, als er sie verließ, und
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hätte man sie nicht in ihren Stall eingesperrt,
sie wären dem Jungen gewiss nachgeflogen.
Draußen vor dem Dorf setzte sich der Sohn
des Spielmanns ins Gras und nahm den
Kasten von der Schulter, um ihn genauer zu
betrachten. Er schaute ihn von einer Seite an
und von der anderen, aber Wunderbares
konnte er an ihm nicht entdecken.
»Ob mein Vater mir den alten Kasten wohl
teurer machen wollte, als er in Wirklichkeit
ist?«, fragte sich der Junge.
Kurz entschlossen griff er nach dem ge-
heimnisvollen Stift und schob ihn nach vorn.
Als er dann die Kurbel drehte, tönte die fröh-
lichste Weise in Gottes schöne Welt, die der
Sohn des Spielmanns je vernommen hatte.
So fröhlich tönte die Drehorgel, dass, wer sie
hörte, allen Kummer und alle Traurigkeit
vergessen musste.
Da lachte der Junge, rief: »Ihr meine
lieben Gänse, nach dieser Weise zu tanzen,
hätte auch euch gefallen«, drehte und drehte
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und ließ die Pfeifen klingen, und Jubel er-
füllte ihn ganz.
Aber nicht nur der Sohn des Spielmanns
lauschte auf die fröhliche Weise, die aus
seinem Kasten hervorklang. Auch die Vögel
des Himmels, die Tiere des Feldes, das
Gewürm der Erde  sie alle kamen herbei,
um zu lauschen und, ein jedes auf seine Art,
mit einzustimmen in die herrliche Musik.
Der Junge hätte wohl immer weiter und
weiter gespielt, wenn nicht auf einmal eine
Stimme gerufen hätte: »Halt ein, Spielmann,
mit deinem Spiel. Denn solange du spielst,
muss ich auf meinem Weg verweilen, um
deiner Weise zu lauschen. Halt ein, Spiel-
mann, damit ich weiterwandern kann.«
Wer es war, der so gerufen hat? Könnt ihr
es wohl erraten? Es war die Sonne, die so
sprach. Da hielt der Junge in seinem Spiel
inne. Nun konnte die Sonne ihren Weg
fortsetzen von einem Ende des Firmaments
zum anderen und die Vögel des Himmels,
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die Tiere des Feldes und das Gewürm der
Erde konnten zurückkehren in ihre Höhlen
und Nester.
»Eines deiner Geheimnisse kenne ich
nun«, sprach der Sohn des Spielmanns zu
der Drehorgel. »Aber welche weiteren magst
du bergen?«
Er schob den Stift nach unten und drehte
aufs Neue an der Kurbel.
Da begannen die Pfeifen zu klagen, und die
Flöten begannen zu schluchzen, dass dem
Drehorgelspieler die hellen Tränen aus den
Augen sprangen. Selbst die Bäume des
Waldes und die Gräser des Feldes stimmten
in die Klage ein und beugten sich tief, tief zur
Erde nieder. Ja, sogar der Himmel verfiel
dem Kummer und zog einen schwarzen
Trauerschleier vor sein Antlitz.
»Halt ein, Spielmann, in deinem Spiel«,
riefen da auf einmal viele Stimmen, »denn
wenn du nicht innehältst, müssen wir
zerspringen.«
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Könnt ihr raten, wer so rief? Es waren die
Steine am Weg. Da hörte der Junge auf, die
Kurbel zu drehen. Als die Drehorgel aber
schwieg, wich auch die Traurigkeit. Die
Bäume und die Gräser richteten sich wieder
auf und der Himmel zog seinen schwarzen
Trauerschleier von seinem Antlitz fort.
»So birgst du nicht nur das Geheimnis der
Fröhlichkeit, sondern auch das der Trauer,
du wunderbarer Kasten«, sagte der Sohn des
Spielmanns. »Welches aber mag dein letztes
Geheimnis sein?«
Damit griff er noch einmal nach dem Stift
und schob ihn nach hinten. Was aber
geschah wohl, als er nun wiederum die Kur-
bel drehte? Schreckliches geschah: Die
Pfeifen gellten, die Flöten schrillten, dass es
war, als würde die Luft mit Messern zer-
schnitten. Der Schmerz aber fuhr dem Jun-
gen selbst mit solchem Weh ins Herz, dass er
meinte, daran zu vergehen. Um ihn her er-
starb alles: die Blumen und die Büsche, die
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Tiere des Feldes und die Vögel des Himmels,
ja selbst das Wasser in dem Bächlein, das
unweit von ihm durchs Land floss, hörte auf
zu fließen und erstarb.
Da hielt der Sohn des Spielmanns schnell
in seinem Spiel inne und betrachtete voller
Kummer, was er angerichtet hatte.
»Hatte mein Vater mich nicht gewarnt?«
redete er zu sich selbst, »ach, ich hätte bess-
er auf ihn hören sollen!«
Aber aller Kummer und alle Gewissensnot
machten nicht mehr lebendig, was um ihn
her den Tod gefunden hatte.
Da bedachte sich der Junge. Sollte nicht
vielleicht jene erste Weise vermögen, das,
was die letzte angerichtet hatte, wieder aus
der Welt zu schaffen? Rasch schob er den
Stift wieder nach vorn und drehte die Kurbel
aufs Neue.
O, hättet ihr nur alle dabeisein können, um
dieses Wunder zu sehen! Denn als nun die
fröhliche Weise wieder erklang, war wirklich
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im Nu aller Tod ausgelöscht. Was erstorben
war, begann wieder zu leben und zu atmen,
um, kaum dass es genügend Kraft geschöpft
hatte, in die Weise miteinzustimmen. Das
war ein Jubeln und Frohlocken, dass man
meinen konnte, alles Vorhergegangene
müsse ein Irrtum gewesen sein, alles Sterben
und aller Tod eine Täuschung.
Doch der Sohn des Spielmanns erinnerte
sich an die Worte der Sonne und dehnte sein
Spiel nicht länger aus, als bis er sicher sein
konnte, dass das Leben in alle Wesen
zurückgekehrt war. Dann schulterte er die
Drehorgel, deren Geheimnisse er nun kan-
nte, und wanderte weiter in die Welt hinein.
Über kurz oder lang erreichte er eine
Stadt, deren Mauern waren mit schwarzem
Flor behängt und ihre Straßen waren ganz
mit schwarzen Tüchern ausgeschlagen.
Als der Junge mit der Drehorgel das Stadt-
tor durchschreiten wollte, hielten die
Wächter ihn auf: »Merk auf, Spielmann. In
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diesen Tagen ist alles Musizieren in den
Gassen und auf den Plätzen der Stadt bei
Strafe verboten. Denn der König und sein
Volk trauern um die Prinzessin, des Königs
einziges Kind.«
»So ist sie gestorben?«, fragte der Sohn
des Spielmanns.
»Gestorben ist sie nicht«, erwiderten die
Wächter, »und doch ist sie so gut wie tot.
Der finstere Herr der anderen Welt hat sie
sich zur Braut erkoren, und morgen will er
kommen, um sie in sein Reich zu führen.
Heute nun werden für die Prinzessin in allen
Kirchen Totenmessen gelesen und das Volk
ist aufgerufen, sie wie eine Tote zu
beweinen.«
Der Sohn des Spielmanns wunderte sich
darüber, doch sagte er kein Wort. Die Dre-
horgel auf dem Rücken, betrat er die schwarz
verhängte Stadt und suchte den Dom auf,
denn dort vermutete er, die Prinzessin zu
finden. Und richtig: als er in die große Kirche
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eintrat, erblickte er vorn beim Altar die Prin-
zessin. Sie lag in weißem Sterbekleid aufge-
bahrt wie eine Tote und die Priester standen
bei ihr und murmelten die Sterbegebete. Das
Volk aber zog schweigend an ihr vorüber, um
Abschied von ihr zu nehmen, wie man von
einer Verstorbenen Abschied nehmen würde.
Der Sohn des Spielmanns reihte sich in die
Schlange der Menschen ein und ließ sich [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]
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